Qualitätselementschäden: Beschädigung von Stromleitungen und ihre Sachfolgeschäden

Beschädigung von Stromleitungen und ihre Sachfolgeschäden

Bereits im Jahr 2007 trat die Anreizregulierungsverordnung (ARegV) in Kraft, die letztmalig Ende 2023 eine Änderung erfuhr. Der Gesetzgeber wollte mit ihrer Einführung das Ziel einer hohen Zuverlässigkeit des laufenden Betriebs als auch eine zunehmende Leistungsfähigkeit der Energieversorgungsnetze in Deutschland sicherstellen.

Bei der Einführung der ARegV spielte nicht zuletzt die vorangegangene Privatisierung der Energie- und Wasserwirtschaft eine Rolle. Schließlich gab es zwischenzeitlich und vor allem auch in anderen europäischen Ländern teils negative Erfahrungen mit der Privatisierung der Energiewirtschaft. Zu geringe und unterlassene Investitionen führten anscheinend zu teils erheblichen Versorgungsunterbrechungen.

Zwischenzeitlich hat sich jedoch die Situation und das Umfeld geändert. Zahlreiche Netzbetreiber erweitern und modernisieren die Stromnetze. Dennoch, so scheint es, nehmen die öffentlich wahrgenommenen und medial dargestellten Versorgungsunterbrechungen zu. Immer wieder ist von Stromunterbrechungen zu lesen. Und spätestens seit dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 08.05.2018 (BGH, VI ZR 295/17) kann jeder Netzbetreiber Ersatz des Gewinns verlangen, der ihm entgeht, weil die Beschädigung seines Stromkabels eine Versorgungsunterbrechung verursacht, die zu einer Verschlechterung seines Qualitätselements und in der Folge zu einer Herabsetzung seiner von der Bundesnetzagentur festgelegten Erlösgrenze (Qualitätselementschaden) führt.

Damit ist auch schon das Hauptproblem beschrieben. Zunehmende notwendig und umfangreiche Sanierungen von auch privaten Verkehrs- und Gehwegen, Parkplätzen als auch sonstigen sich auf die Infrastruktur auswirkenden Instandhaltungsmaßnahmen, führen offenbar immer wieder zur Beschädigung von verlegten Stromkabeln. Nicht selten geschieht dies, wenn neue Leitungen, auch in der Form von Glasfaserkabeln, verlegt werden. Die beteiligten Tiefbauunternehmen beschädigen immer wieder verlegte Stromkabel. Dabei hat sich an der Verpflichtung für den Netzbetreiber als auch für das Tiefbauunternehmen hinsichtlich ihrer Verpflichtung zur Erteilung einer Planauskunft bzw. zur Informationseinholung über möglich verlegte Stromkabel nichts geändert.

Ärgerlich sind diese Beschädigungen nicht nur für die Letztverbraucher   (z.B. Haushalte), die vom plötzlichen Stromausfall überrascht sein mögen. Gleiches gilt für die Gewerbebetriebe. Auch kann in der Regel der Sachschaden (die Reparatur des beschädigten Kabels) erfahrungsgemäß recht schnell behoben werden. Doch für den Netzbetreiber ergibt sich der Nachteil, dass die Bundesnetzagentur die Beschädigung des Kabels wegen reduzierter Qualität von Netzzuverlässigkeit und Netzleistungsfähigkeit ihm zurechnet, was wiederum auf die maximale Erlösgrenze des Netzbetreibers Auswirkungen hat. Diese negative Auswirkung in Form eines Erlösausfalls (Qualitätselementschaden) fordert deshalb der Netzbetreiber vom Verursacher als Ausgleich zurück.

Sehr schnell wird deshalb das verursachende Tiefbauunternehmen den reklamierten Ausfallschaden seiner Versicherung melden. Diese hat nun das Problem aufgrund der regulatorischen Regelungen letztlich mehrere Jahre zu warten bis der Sachfolgeschaden eingetreten ist und entsprechend den Vorgaben der Bundesnetzagentur final berechnet werden kann oder sie beauftragt einen Gutachter mit der zeitnahen Berechnung des Ausfallschadens auf Grundlage der regulatorischen Vorgaben der ARegV. Das dürfte auch im Interesse des Netzbetreibers (Anspruchsteller) sein, auch dann, wenn für die Versicherung die grundsätzliche Möglichkeit besteht, aufgrund der Abschätzung durch einen Sachverständigen die Höhe des Ausfallschadens geringer zu beziffern.

Wird beispielhaft davon ausgegangen, dass es im Jahr 2019 eine 75-minütige Störung durch Beschädigung einer Stromleitung für 437 Haushalte gab und dass es insgesamt 90.000 Letztverbraucher gibt, so errechnet sich bei einer durchschnittlichen Anzahl von Letztverbrauchern für die Jahre 2021 bis 2023 in Höhe von 89.000, 90.000 und 91.000 ein Qualitätselementschaden als Sachfolgeschaden in Höhe von rund EUR 8.196 (ohne Instandsetzungskosten aufgrund des Sachschadens).

 

    Jahr der Störung Berechnung des Qualitätselementschadens
    t t+2 t+3 t+4
Jahresabgabe   2019 2021 2022 2023
Dauer der Versorgungsunterbrechung Minuten 75,00      
Anzahl der unterbrochenen Letztverbraucher Anzahl 437,00      
Anzahl der gesamten Letztverbraucher Anzahl 90.000,00      
3-Jahres-Durchschnitt der Anzahl der gesamten Letztverbraucher Anzahl   89.000,00 90.000,00 91.000,00
Monetarisierungsfaktor EUR / Minuten pro Anzahl der Letztverbraucher / Jahr   0,24 0,25 0,26 *   
Wirkungsdauer pro Jahr     1,00 1,00 1,00
Jährlicher Qualitätselementschaden EUR   2.592,87 2.731,25 2.872,06
Gesamter Qualitätselementschaden EUR     8.196,18  
           
*vereinfachend angenommen      

Das scheint vielleicht zunächst für einen Ausfallschaden nicht viel zu sein. Doch ist bei der Beurteilung aus Sicht der Versicherung zu berücksichtigen, dass es aufgrund der Vielzahl von (auch in Plänen nicht verzeichneten) Elektrizitätsleitungen zahlreiches Beschädigungspotenzial gibt. Somit sind sehr schnell finanzielle Belastungen für die Versicherer in ganz anderen Größenordnungen denkbar.

Eine umfangreiche Dokumentation ist auf der Internetseite der Bundesnetzagentur sowie des Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. (BDEW) vorhanden.

Michael Kirchner, Sachverständiger Betriebsunterbrechung, C. Gielisch GmbH, Büro Frankfurt

 

1Begriffsdefinition gemäß Energiewirtschaftsgesetzt (EnWG): Natürliche oder juristische Personen, die Energie für den eigenen Verbrauch kaufen; auch der Strombezug der Ladepunkte für Elektromobile und der Strombezug für Landstromanlagen steht dem Letztverbrauch im Sinne dieses Gesetzes und den auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen gleich (§ 3 Nr. 25 EnWG).