Asbest! Das braucht doch keiner. Weder der Hauseigentümer, z. B. bei der Modernisierung seiner Immobilie, noch der Handwerker beim Rückbau oder der Versicherer bei der Regulierung eines Schadenfalls.
Asbest belastet die Sanierungsaufwendungen
Letztgenannter schließt das Asbest-Risiko zumindest im Haftpflicht-Bereich gerne aus (so z. B. Ziffer 7.11 AHB Musterbedingungen des GDV1), es sind aber auch andere Vereinbarungen möglich. Ist eine Sanierung folglich auf einen Haftpflichtschaden zurückzuführen, steht der ausführende Unternehmer (Handwerker) erstmal ohne Deckung da.
Für den Anspruchsteller entsteht somit ein Kostenrisiko. Eine Sanierung oder Instandsetzung wird durch einen Schadstoffbefund in den meisten Fällen aufwendiger, es entstehen Mehrkosten beim Aufwand für den Arbeits- und Nutzerschutz sowie für die Entsorgung.
Der Hauseigentümer genießt i. d. R. im Rahmen seiner Wohngebäudeversicherung Deckungsschutz (so z. B. Kein Asbestausschluss in der VGB 2022 Allgemeine Wohngebäudeversicherung des GDV2; andere Vereinbarung möglich). Ob im Sach- oder Haftpflichtschaden, Schadstoffe belasten die Sanierungsaufwendungen, die schadenbedingt notwendig sind. Letztendlich belastet ein Schaden aber natürlich die Police des Gebäudeeigentümers und mittelbar auch seine zu zahlende Prämie.
Asbest – nach wie vor eine aktuelle Problematik
Viele meinen, Asbest sei doch schon ein alter Hut und bei Sanierungen in Immobilien und allgemein baulichen Anlagen nicht mehr wichtig. In Deutschland sind nach Angaben des statistischen Bundesamtes über 22 Mio. Wohnungen in der Zeit zwischen 1949 bis 1993 gebaut worden3. Viele von diesen sowie viele ältere Gebäude sind in diesem Zeitraum auch renoviert worden. Da kam mal ein neuer Fliesenspiegel an die Wand, der Putz im Treppenhaus wurde erneuert oder die Bohrlöcher vom Vormieter beseitigt, Innerhalb von 40 Jahren Gebäudenutzung werden üblicherweise auch mal neue Fenster, Türen, oder Leitungen eingebaut. Von den Installationen für Wasser, Heizung und Elektrik ganz zu schweigen. Insgesamt sind deutschlandweit über 34 Mio. Wohnungen in der entsprechenden Baualtersklasse vorhanden. Daneben sind viele öffentliche, Gewerbe- und Industriegebäude in den Jahren errichtet oder instandgesetzt worden.
Bis zum Verbot 1993 wurden rund 4,4 Mio. t Asbest in über 3.000 Produkten verbaut. Dazu gehören bekanntermaßen Dacheindeckungen aus Asbestzement, Brandschutzplatten oder Dichtungen mit einem Asbestgehalt meist größer 10% sowie Putze, Spachtelmassen oder andere bauchemische Produkte, die deutlich weniger als 1% enthalten.
Rechtlich hat der Bauherr als sogenannter Veranlasser eine Informations- und Mitwirkungspflicht wenn dieser Arbeiten an Bauwerken beauftragt, bei denen Gefahrstoffe freigesetzt werden können4. Dies wird im Referentenentwurf der Gefahrstoffverordnung von März 2023 im Detail weiter ausgeführt, dieser wurde aber noch nicht endgültig vom Bundestag verabschiedet5. Demzufolge sind alle Gebäude die vor dem Asbestverbot 1993 errichtet wurden erstmal schadstoffverdächtig. Vor Eingriffen muss eine Untersuchung und Bewertung erfolgen und der Handwerker muss vom Bauherren hierüber vor Aufnahme der Tätigkeiten informierten werden.
Hier steht ein deutliches „Muss“ und nicht „könnte“, „sollte“ oder, wenn er denn Lust und Geld dafür hat. Für den Auftraggeber haben Schadstoffe wie Asbest, mit dem er mitunter seit Jahrzehnten lebt, nicht die gleiche Bedeutung wie für den Handwerker der täglich, und meist aus Unkenntnis ungeschützt damit in Berührung kommt. Zumal die Gefährdung durch eine Asbestfreisetzung in der Regel erst dann entsteht, wenn es im Zuge von Sanierungen zu Tätigkeiten am asbesthaltigen Produkt kommt und so richtig staubt. Von alleine kommen die Asbestfasern aus den Bauprodukten nicht raus. Bei hoch asbesthaltigen Brandschutzplatten reicht schon ein leichtes Kratzen an der Oberfläche, während beim asbesthaltigen Fliesenkleber schon Hammer und Meißel oder schnelldrehende Maschinen benötigt werden, um Asbeststaub freizusetzen. Durch emissionsarme Verfahren, die meist mit einer direkten Absaugung und Filterung arbeiten, kann die Staubfreisetzung soweit reduziert werden, dass der Rückbau ohne größere Maßnahmen zum Atemschutz erfolgen können.
Rechtzeitige Erkundung spart Kosten
In der derzeitigen Praxis erfolgt eine Erkundung meist eher anlassbezogen, also meist erst vor notwendigen Baumaßnahmen bei einem Asbestverdacht und dann aber leider nicht konsequent für das gesamte Gebäude. Dabei ist das sowohl für den Nutzer- wie auch den Arbeitsschutz für den Handwerker wichtig. Ebenso ist dies für die richtige Entsorgung relevant. Denn labortechnisch nachgewiesene Baustoffe, die im Entsorgungsmaterial Asbestgehalte unterhalb der Vorgaben haben, müssen nicht teuer deponiert, sondern können als Recyclingmaterial eingesetzt werden. Das spart Aufwand und immense Kosten.
In den beiden nachfolgen Beispielen sind die Kosten für eine Asbestsanierung aufgeführt. Hierbei sind die Mehrkosten durch eine Havarie wesentlich höher, als die bei einer vorherigen Erkundung auf Schadstoffe und fachgerechten Sanierung.
Nachfolgend ein Rechenbeispiel der Berufsgenossenschaft6.
Beispiel 1
Kosten Asbest vor Abbruch ermittelt | Kosten Asbest bei Ausführung ermittelt | ||
Ingenieurleistungen | EUR 7.000 | Ingenieurleistungen* | EUR 10.000 |
Asbestsanierung | EUR 30.000 | Asbestsanierung (vergößerte Kontamination) | EUR 60.000 |
Abbruch | EUR 25.000 | Abbruch (inkl. Stillstandzeit) | EUR 30.000 |
Gesamt | EUR 62.000 | Gesamt | EUR 100.00 |
Zeitvolumen | 12 Wochen | Zeitvolumen | 20 Wochen |
*(Nachtragsauschreibung, Überwachung, kurzfristige Erstellung der Planung nach BaustellV., Planung / Überwachung)
Beispiel 2
In einem aktuellen Haftpflichtschaden, den wir als C. Gielisch GmbH bearbeiten, wurde auch die GIA – Gielisch Institut für Analyse GmbH – mit der Schadstoffbewertung involviert. Grund war eine vom Versicherungsnehmer verursachte Havarie durch den unsachgemäßen Umgang mit Asbest. Er sollte Abwasserrohre aus Faserzement mit einem Alter von ca. 50 Jahren austauschen. Beim Transport wurden Bruchstücke entlang der Laufwege im Gebäude verteilt. Glücklicherweise hatte der Handwerker eine separate Police für Asbest abgeschlossen.
Kostenübersicht | ||
Rückbau 52 m Faserzemntrohre | EUR 1.000 | |
Einbau neuer Abwasserrohre | EUR 15.000 | |
Gesamt | EUR 16.000 | |
Zeitvolumen | 4 Wochen |
Zuzüglich Mehrkosten aus Havarie | |
Ingenieurkosten für Untersuchungen/ Gutachten | EUR 10.000 |
Schadstoffsanierung (Reinigung von asbesthaltigen Stäuben) | EUR 41.000 |
Gesamt | EUR 51.000 |
Zeitvolumen | 16 Wochen |
Auch wenn die Rückbaukosten für die Faserzementrohre wirtschaftlich nicht auskömmlich angesetzt sind - und eher mit EUR 3.000 kalkuliert werden müssten - sind die Mehrkosten durch falsche Arbeitsplanung und Ausführung um ein vielfaches höher. Mit einer vorherigen Erkundung und Sanierungskonzeption (Kosten ca. EUR 1.000), wäre es nicht so weit gekommen. Es hätten über EUR 20.000 eingespart werden können.
Durch vorherige Erkundung und frühzeitige Überprüfung auf mögliche Schadstoffe oder mikrobielle Kontaminationen, können Kosten in schadenbedingten Maßnahmen eingespart werden, weil es das Risiko für Havarien verringert und die Sanierungsmaßnahmen bedarfsgerecht angepasst werden können.
Nach Einschätzung des GDV wäre perspektivisch die Einführung eines verbindlichen Schadstoffkatasters für Gebäude hilfreich, um bei der Planung von Renovierungen oder im Schadenfall dann auf die Asbesterkundung oder asbestspezifische Schutzmaßnahmen verzichten zu können. Ein Schadstoffkataster von jedem relevanten Gebäude wäre sicherlich auch für den Versicherer ein guter Anfang.
Dr. Christopn Portner, Sachverständiger für Gebäudeschadstoffe und Innenraumhygiene, Gielisch Institut für Analyse GmbH
Thomas Paatsch, Dipl.-Ing. (FH), Bauwesen, Büro Leipzig, C. Gielisch GmbH
1GDV Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V., Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung, 2016-02
2GDV Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V., Allgemeine Wohngebäude Versicherungsbedingungen, 2022-05
3https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Wohnen/Tabellen/wohneinheiten-nach-baujahr.html
4Chemiekaliengesetz, 2021-10
5https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Gesetze/Referentenentwuerfe/ref-verordnung-zur-aenderung-der-gefahrstoffverordnung-und-anderer-vos-2.pdf?__blob=publicationFile&v=3
6BG Bau, Abbruch und Asbest - Informationen und Arbeitshilfen für Planung und Ausschreibung, 2015